Unfallopfer darf nicht zu Gericht, weil Tochter bei Uber Eats bestellt hat

Ein Uber-Chauffeur übersieht eine rote Ampel, mit schweren Unfallfolgen. Die verletzten Passagiere dürfen niemanden verklagen.​

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Uber-Schriftzug an der vorderen PassagiertĂĽr eines schwarzen Pkw

(Bild: MOZCO Mateusz Szymanski/Shutterstock.com)

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Uber macht einen auf Disney, aber mit Erfolg. Eine Mahlzeitenbestellung bei Uber Eats durch ein Kind in den USA hat eine Schiedsgerichtsklausel aktiviert. Als die Mutter und Inhaberin des Uber-Kontos Monate später Uber für eine Fahrt bucht, ereignet sich ein Verkehrsunfall. Offenbar hat der Uber-Chauffeur eine rote Ampel übersehen. Die Frau sowie ihr mitfahrender Ehemann werden schwer verletzt. Aufgrund der Schiedsgerichtsklausel darf die Uber-Kundin aber nicht zu Gericht gehen.

Das geht aus einer Berufungsentscheidung des Superior Court New Jerseys hervor. Uber hat damit durchgesetzt, dass ein von Uber ausgewählter Schiedsrichter hinter verschlossenen Türen über etwaige Schadenersatzansprüche der Unfallopfer entscheidet. Das umfasst nicht nur etwaige Ansprüche gegen Uber, sondern auch gegen den Unfalllenker und die Unfallgegner. Selbst der mitfahrende Mann darf wahrscheinlich nicht zu Gericht gehen, obwohl der die Geschäftsbedingungen Ubers nicht akzeptiert hat.

Und das kommt so: Die US-Scheidungsanwältin Georgia McGinty hat ein Uber-Konto. Am 1. April 2021 akzeptiert sie Ubers neue Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und verzichtet dabei auf ihr Recht auf ein Geschworenenverfahren. Im Dezember des Jahres führt Uber neue AGB ein, die einen fast vollständigen Verzicht auf Gerichtsverfahren sowie effizientere Sammelverfahren enthalten. Von Geschworenen ist keine Rede mehr. Sogar über die Frage, ob nur das private Schiedsgericht zuständig ist, darf demnach nur das Schiedsgericht selbst entscheiden.

Im darauffolgenden Monat ist die Familie McGinty gerade dabei, für einen Urlaub zu packen. Die minderjährige Tochter erhält das Handy ihrer Mutter mit der Erlaubnis, eine Essenslieferung zu bestellen. Das geht aber nur, wenn die neuen Uber-AGB akzeptiert werden. Laut Darstellung der Familie klickt das Kind den langen Rechtstext weg und bestätigt dabei wahrheitswidrig, volljährig zu sein.

Monate später nutzt die Mutter Uber für eine Fahrt in New Jersey. Ihr Mann fährt mit. Dabei kommt es zu dem Unfall, den beide schwer verletzt überleben. Die Anwältin ist ein ganzes Jahr arbeitsunfähig. Um Schadenersatz und Schmerzengeld zu erhalten, erhebt das Ehepaar Klage gegen den Unfalllenker, den Unfallgegner, dessen Fahrzeugeigentümer und Uber samt einer Tochterfirma. Sechs Monate später beruft sich Uber auf die Schiedsgerichtsklausel in seinen AGB. Das Erstgericht lehnt das ab. In einem vergleichbaren Fall hat Disney jüngst ebenfalls auf ein Schiedsgericht gepocht; aufgrund herber öffentlicher Kritik hat Disney inzwischen aber auf die Schiedsgerichtsklausel verzichtet – in dem einen Fall. Nicht so Uber. Die Firma beruft und hat Erfolg.

Im Uber-Fall führt die Berufungsabteilung des Superior Court aus, dass das Recht von New Jersey sowie die ständige Rechtsprechung dort Schiedsgerichtsvereinbarungen Vorrang gegenüber Zugang zu öffentlicher Gerichtsbarkeit gewähren. Aus der Überlassung des Handys an die Tochter gehe hervor, dass das Kind mit Wissen der Mutter gehandelt habe. Als das Mädchen den Text sowie die separate Angabe, volljährig zu sein, weggeklickt habe, sei die Schiedsgerichtsklausel verbindlich vereinbart worden.

Ob das auch gilt, wenn das Kind gar nicht volljährig ist, das aber Bedingung für das Wegklicken ist, lässt das Gericht offen. Denn das zu entscheiden sei Aufgabe des Schiedsgerichts, weil das so in den AGB steht.

Und weil die Schiedsgerichtsklausel ausdrücklich behauptet, auch Dritte zu binden, seien sie Kläger oder Beklagte, muss auch Ehemann John McGinty zum Schiedsgericht. "Der Schiedsrichter wird daher entscheiden, ob John als begünstigter Dritter unter die Schiedsgerichtsklausel fällt", entscheidet der Richtersenat der Berufungsabteilung des Superior Court of New Jersey (Georgia M. McGinty et al v Jia Wen Zheng et al, Az. A-1368-23).

Hinweis der Redaktion: Die Gerichtsentscheidung ist theoretisch online unter https://www.njcourts.gov/system/files/court-opinions/2024/a1368-23.pdf abrufbar; tatsächlich verhindern die Gerichtsserver häufig den Zugriff aus dem Ausland. Eine Wiederveröffentlichung ist in New Jersey, anders als bei Entscheidungen von US-Bundesgerichten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung gestattet, weshalb heise online den Download nicht direkt anbieten kann.

(ds)